Der alte und der neue Klinglwirt

Vor über hundert Jahren kaufte Jakob Kirmair ein Anwesen in Weidach, einem kleinen Dorf in der Gemeinde Baiern bei Glonn. Jakob Kirmair war Müller und Metzger. Zu dem Grund gehörten ein paar Wiesen, ein bisschen Wald, ein Stall für Kühe und Hühner, eine kleine Metzgerei – und ein Wirtshaus, mit Gaststube und einem großen Festsaal. 1905 sperrte Jakob Kirmair zusammen mit seiner Frau Anna den Klinglwirt auf.

Der Betrieb war eine Tafernwirtschaft – es gab also auch was zu Essen. Wollwürschte mit Kartoffelpüree zum Beispiel, Schweiners mit Kraut, Saure Knödel, Bratensülze und Auszogne zur Nachspeis. Das Bier lieferte die Brauerei einmal die Woche auf einer Kutsche, mit Hilfe von zwei Rössern. Eine feste Speisekarte gab es nicht. Es gab halt, was gekocht wurde. Fünf oder sechs verschiedene Essen am Tag.

Zum Waldfest baute der Burschenverein jedes Jahr eine Kegelbahn aus Holz über den Graben neben dem Haus. Die Burschen schossen die Kegel um, die Kinder stellten sie wieder auf. Überhaupt wurde alles, was es in einem Dorf so zu feiern gibt im Klinglwirt gefeiert: Geburten, Hochzeiten, Firmungen. Alte Herren gründeten am Stammtisch Trachtenvereine, die Rock’n Roll Tanzgruppe probte oben im Saal ihre Schwünge, Trachtler übten das Plattln. In der Stuben wurde Schafkopf gespielt.

Während des zweiten Weltkrieges brachte man die Bücher aus der Bayrischen Staatsbibliothek im Klinglwirt in Sicherheit, vor den Bomben. Im Saal wurden Bücher restauriert, in der Wirtsstube dann die Restaurateure.

Der alte Klinglwirt, der Uropa der heutigen Klinglwirtin, war Wirt mit Leib und Seele. Er war humorvoll, ein großer Pferdefreund und in der Gemeinde sehr beliebt. Seine jüngste Tochter, Babette, übernahm 1946 die Wirtschaft, zusammen mit ihrem Mann Jakob. Als Jakob 1967 starb, führte Babette den Klinglwirt mit ihren drei Kindern alleine weiter.

Zehn Jahre später übernahm die älteste Tochter Anna das Wirtshaus. Auch ihre Kinder Sonja und Werner wuchsen in der Wirtschaft auf. Das heißt: Eine Gefriertruhe mit ewigem Eisvorrat, immer frische Semmeln, am späten Abend in den Saal schleichen und den Theaterleuten beim Proben zuschauen. Der Oma zuschauen, wie sie im riesigen schwarzen Kessel Vanillesoß’ für die Dampfnudeln kocht, und die Mama beim Bedienen bewundern. Ab und zu wurden dem Stammtisch schon mal kleine Kätzchen präsentiert. Oder laut verkündet „die Mama hat gsagt, ihr könnts jetzt alle heimgehen.“

Als Sonja 10 Jahre alt war, übergab Anna den Betrieb ihrem älteren Bruder Jakob. 1987 gab er den Klinglwirt auf – unter großem Bedauern der Gemeinde.  Doch ein viertel Jahrhundert später sperrt Sonja Obermeier den Klinglwirt wieder auf – in Haidhausen in München. Um die alte Tradition wieder aufleben zulassen. Und weil es halt einfach nicht geht, ohne den Klinglwirt.